Arbeiten mit reMarkable & Tablet?

Die Idee eines Studiums, das ohne Papier auskommt, ist heute sicher verbreiteter als noch zu Beginn meines Studiums. Besondere Aufmerksamkeit erregte in den letzten Jahren das „Paper Tablet“ reMarkable durch sein Versprechen, so nah wie möglich an das Schreibgefühl auf Papier anzuknüpfen. Bereits im Besitz eines iPads (Mini) liebäugelte ich immer wieder mit dem reMarkable und entschloss mich letztendlich dazu, das Paper Tablet zu testen.

Nach nun knapp einem Monat mit dem reMarkable möchte ich hier ein paar erste Eindrücke wiedergeben, die im direkten Vergleich entstanden sind. An der ein oder anderen Stelle nehme ich kleinere thematische Abzweigungen, die zur Kontextualisierung beitragen sollen. Ich bitte daher um Nachsicht. Sollten Fragen oder Wünsche zum weiteren Testen offen bleiben, freue ich mich über Rückmeldungen!

Mein Setup

Derzeit arbeite ich mit einem Apple MacBook Air, einem iPad Mini und dem jüngsten Mitglied: dem reMarkable. Das ist ein stattliches Setup, das sicherlich nicht der Lebensrealität aller Studierenden entspricht. Innerhalb meines Bachelor-Studiums arbeitete ich ausschließlich mit einem recht simplen Windows-PC und Notizheften. Ein Tablet wäre für mich ebensowenig in Frage gekommen wie ein Laptop. Vermittels meiner ersten Eindrücke spreche ich also keine allgemein gültige Kaufempfehlung aus, sondern biete eine Art subjektiven Erfahrungsbericht an.

Der Allrounder: iPad Mini

Das iPad war sicherlich das Gerät, das mein Studium und mein Lernen im positiven Sinne völlig auf den Kopf gestellt hat. Zu Beginn des ersten Semesters im Master-Studiengang erhielt ich die Chance, ein altes iPad zu übernehmen, das ich intensiv im Studium testen konnte. Nach ausgiebigen Tests bin ich dann einige Zeit später aufgrund der kompakten Größe zum iPad Mini gewechselt. Ich benutze das iPad heute für so ziemlich alles: Vorlesungs- & Präsentationsnotizen (GoodNotes; kostenlose Alternative: Notability), Lektüre / Lektorat / Redigieren wissenschaftlicher Texte (LiquidText; kostenlose Alternative: Notability), als mobile Alternative gängiger Office Lösungen (Excel, Word, PowerPoint), Zettelkasten-Notizen (Obsidian), Lernen von Vokabeln (Anki), Wörterbuch-Suchen (Yomiwa), um nur einige zu nennen. Das hat – insbesondere für BahnfahrerInnen wie mich – den enormen Vorteil, kaum klassische Wartezeiten verbringen zu müssen und jederzeit produktiv arbeiten zu können (und schont bei längeren Strecken, die man stehend verbringt auch ganz nebenbei den Rücken).

Das Paper-Tablet: reMarkable

Seit Beginn der Promotion liebäugelte ich mit dem reMarkable, das nur recht verzögert seinen Weg in den japanischen Markt fand. Aber was reizte mich daran, wo ich doch mit dem iPad so zufrieden war? Das iPad ist, so viel sei vorab gesagt, für mich ein unersetzbarer Begleiter. Die Frage konnte also nie lauten, ob das reMarkable das iPad für mich ersetzen, sondern immer nur, ob es meine Arbeit mit dem iPad ergänzen und meine gesamte Arbeitsweise somit bereichern könnte. Schließlich zielt das reMarkable1 auch gar nicht darauf ab, mit den Funktionen der Allrounder-Tablets mitzuhalten, sondern erhebt ganz im Gegenteil den Anspruch durch seine Simplizität ein besonders fokussiertes Arbeiten zu ermöglichen. Nun muss ich gestehen, dass mich dieses Argument bislang wenig überzeugt hat. Auf meinem iPad befinden sich kaum Apps, die mich ablenken könnten und wenn ich doch einmal in Sorge wäre, durch eine eingehende E-Mail abgelenkt zu werden, so würde ich vorher vermutlich einfach den Flugmodus aktivieren. (Für diejenigen, denen es besonders schwerfällt konzentriert zu haben, mag das ein reizvolleres Kaufargument sein als für mich.)

Das zweite Alleinstellungsmerkmal, nämlich der Anspruch wie auf Papier schreiben zu können, war hingegen genau das, was für mich den Reiz ausmachte. Die zugegebenermaßen recht individuelle Situation weitestgehend aus Japan in Deutschland zu promovieren, hatte zur Folge, dass ich nicht mehr täglich zur Universität pendelte, sondern häufiger am eigenen Schreibtisch arbeitete. Wie gewohnt nutzte ich das iPad zum Schreiben von Notizen, trotz paper-like Folie, die gerade für die Lektüre von Texten sehr zu empfehlen ist, blieb ein angenehmes Schreibgefühl jedoch aus.

Der direkte Vergleich

Die Grundausstattung

Das reMarkable 2 ist mit ca. 400 g insgesamt über 100 g schwerer als das aktuelle iPad Mini (aber auch 100 g leichter als das aktuelle iPad). Beide Geräte lassen sich per USB-C laden. Das Display des reMarkable ist mit 10.3″ in etwa so groß wie das aktuelle iPad, aber rund 2 Inch größer als das des iPad Mini und damit als portables Gerät für mein Dafürhalten schon recht groß. Da die beiden Displays auf ganz unterschiedliche Bedürfnisse abzielen, sehe ich an dieser Stelle davon ab, diese hinsichtlich ihrer Auflösung und ähnlichen Parametern zu vergleichen. Beide Geräte werden standardmäßig ohne Zubehör verkauft, welches sich jedoch bei der Bestellung hinzufügen lässt.

Preis

Ich hatte das Glück, das reMarkable durch einen günstigen Wechselkurs vergünstigt (für ca. 280 €) erwerben zu können. Der reguläre Preis liegt derzeit bei 350 €. Innerhalb einer Woche wurde es, weitestgehend in Papier-Kartonagen und möglichst wenig Plastik verpackt, zugestellt. Auf die reMarkable Hülle (160 €) und den dazugehörigen Stift (zwischen 80 und 130 €) verzichtete ich zugunsten preiswerterer Alternativen (Hülle und Pen). Wer Tablet, Hülle und Stift im Bundle erwirbt, kommt derzeit auf ca. 580 €. Das Remarkable macht mit seinem Glas-Display einen ebenso gut verarbeiteten Eindruck wie das iPad.

Das aktuelle iPad Mini ist mit knapp 600 € (ohne Zubehör) die deutlich preisintensivere Investition. Der Apple Pencil der 2. Generation ist mit ca. 100 € ein weiterer notwendiger Kostenpunkt. Einige günstigere Alternativen habe ich getestet, diese funktionieren aber leider recht holprig.

Synchronisierung

Einer ersten Probe unterzog ich das reMarkable im Zuge eines Artikels, an dem ich derzeit arbeite. Im Kauf enthalten ist ein 1-jähriges kostenloses Abonnement der Sync-Funktion, sodass sich per App PDF-Dateien Geräte übergreifend synchronisieren lassen. Ich muss gestehen, dass ich weniger begeistert von der Idee war, noch eine App auf verschiedenen Geräten zu installieren. So ist es auch nicht überraschend, dass ich wohl nach Ablauf des kostenfreien Abonnements dieses nicht zahlungspflichtig weiterführen werde. Wer im Apple-Universum unterwegs ist, der wird daran gewohnt sein, wie leicht sich Geräte übergreifend Dateien teilen lassen. Aber auch wer Android, Windows und Apple verwendet, kann über diverse Clouds problemlos Dateien teilen und bearbeiten.

Lektüre

Das reMarkable bietet für PDFs die charmante Funktion, händische Markierungen zu erkennen und in Standard PDF-Markierungen zu transformieren. Auch Kommentare ließen sich problemlos direkt auf die PDF zeichnen. Das Lektüre-Erlebnis entspricht in etwa dem eines Kindle (oder dem anderer gängiger eBook-Reader) und ist somit ein Deut angenehmer als das iPad, wobei über eine paper-like Folie zumindest auch ein gutes Ergebnis erzielen lässt. Für das iPad nutze ich weitestgehend die App LiquidText, die umfangreiche Funktionen (Mindmapping, Workspaces, gleichzeitiges Scannen & Bearbeiten mehrerer Dokumente) bereitstellt, in den letzten Jahren allerdings auch fehleranfälliger wurde: Sync-Funktion und Markierungen haben mich mitunter recht unglücklich gemacht.

Ich arbeite bei der Lektüre wissenschaftlicher Texte gewohnheitsmäßig mit Farbcodes. Das ist mit dem reMarkable nur bedingt möglich. Zwar bietet auch das Paper Tablet eine Farbpalette, jedoch ist diese recht reduziert und es ist einigermaßen umständlich, zwischen den Farben zu wechseln. Wessen Lektüre aber weitestgehend ohne Farbcodes auskommt, wer also eher mit einfarbigen Annotationen und Markierungen arbeitet, der ist mit dem reMarkable aber sicher gut bedient.

Notizen

Sowohl iPad als auch reMarkable umfassen die Funktion der Texterkennung handschriftlicher Notizen. Die Texterkennung des reMarkable erfordert allerdings eine WLAN-Verbindung. In meinem Test verlief diese im deutsch- und englischsprachigen Bereich bei beiden gleichermaßen erfolgreich. Eine japanische Texterkennung hat das reMarkable bislang offenbar nicht, während das iPad (getestet mit GoodNotes) über eine automatische Spracherkennung auch meine japanische Handschrift einwandfrei entziffern konnte.

Das Schreibgefühl auf dem reMarkable ist deutlich weicher und damit angenehmer als auf dem iPad; das Schriftbild auf dem reMarkable ist auf den ersten Blick jedoch gewöhnungsbedürftig, da es Unregelmäßigkeiten eines Stifts imitiert. Das iPad (getestet mit GoodNotes) hingegen zeichnet ein äußerst gleichmäßiges Schriftbild, das – sofern die handschriftlichen Notizen als solche weiterverwendet werden – sicher vorzuziehen ist.

Schriftbild auf dem iPad (GootNotes)

Schriftbild auf dem reMarkable

Beide Tablets bieten außerdem eine Suchfunktion, über die Notizen durchsucht werden können. Während das iPad (getestet mit GoodNotes) sowohl sämtliche Notizen innerhalb aller Notizbücher durchsucht, gelingt die Suchfunktion beim reMarkable scheinbar nur auf einer Ebene (entweder als übergeordnete Suche nach Notiz-/PDF-Titel oder als Suche nach Text innerhalb einer Datei).

Lebenszeit

Oft werden die Produkte von Apple als von geringer Lebensdauer eingestuft, weshalb eine höherpreisige Anschaffung weniger lohnenswert erscheint. Tatsächlich benutze ich mein iPad Mini schon seit 5 Jahren, ohne dass sich merkliche Gebrauchsspuren auftaten. Einzig die Batterie-Langlebigkeit mag in Frage zu stellen sein, nachdem mein iPad nach einigen Updates sich innerhalb weniger Stunden entlud, auch wenn ich es nicht benutzte. Dies hing in meinem Fall allerdings mit geänderten Systemeinstellungen zusammen. Nachdem ich Hintergrundaktualisierungen für sämtliche Apps deaktiviert habe, hält sich das iPad wacker! (Etwa 3 % Akkuverlust nach 24 Stunden bei Nichtbenutzung.) Wird mit rechenintensiven Apps gearbeitet, entlädt sich das iPad entsprechend schneller, sodass unterwegs Ladekabel & Powerbank durchaus anzuraten sind.

Das reMarkable hat eine deutlich längere Lebenszeit. Tatsächlich habe ich es innerhalb der letzten Wochen lediglich 2 Mal laden müssen. Etwas ungewöhnlich mutet indes der Umstand an, dass sich bei aktiviertem WLAN das reMarkable nicht über 97 % laden lässt. Stellt man das WLAN aus, so erreicht man mit 98 % immerhin ein Prozent mehr.

Mein aktueller Workflow

Wie verwende ich beide Geräte nun aber in meinem täglichen Workflow? Ich muss gestehen, dass sich für mich zur Lektüre das iPad als klarer Sieger herausgestellt hat – insbesondere dann, wenn ich viele Texte in kurzer Zeit lese. Das mag neben der Synchronisierung auch daran liegen, dass ich (neben Kommentaren) bereits an Annotationen über Farbcodes gewöhnt bin und diese schnell überblicken kann. Grundsätzlich kann ich mir jedoch vorstellen, dass auch das reMarkable zur Lektüre einsetzbar ist.

Anders sieht es bei Notizen aus: Hatte ich zunächst zwischen dem Schreibgefühl des reMarkable & iPad kaum nennenswerte Unterschiede ausmachen können, so zeigen sich diese nach weiterer Verwendung immer deutlicher. Gerade für kreative Arbeitsschritte wie Brainstorming und andere visuelle Methoden, aber auch für Notizen gefällt mir das reMarkable gut!

Zwar konnte ich ihm für die Lektüre von Fachtexten weniger abgewinnen, für einzelne kürzere Texte (Bearbeitung eigener Artikel/Unterkapitel oder Lektorat/Korrektur von Hausarbeiten) ist das reMarkable hingegen ganz charmant, da ich hier weniger auf meine Farbcodes angewiesen bin, sondern mehr direkt am Text arbeite, also unmittelbar kommentiere, Randnotizen mache und mit Korrekturzeichen arbeite.

Für die Anfertigung meines Beitrages in einem Sammelband bedeutete das konkret: Während ich mir am PC eine Übersicht über die Literatur gemacht und diese im Zuge der Textrezeption auf dem iPad gelesen und annotiert habe, konnte ich das reMarkable insbesondere innerhalb der Textproduktion nutzbar machen. Sowohl das Übersetzen von Lyrik als auch das Redigieren erster Manuskript-Teile ließ sich über das reMarkable wunderbar verwirklichen. Tatsächlich war es dabei auch die mentale Abgrenzung, die wohl mitunter zur oben beschriebenen Ablenkungsfreiheit gehört, die den Ablauf erleichterte. Diese Ablenkungsfreiheit bestand für mich allerdings weniger in dem Gefühl, von anderen Benachrichtigungen, Apps o. ä. gestört zu werden, sondern viel mehr im physischen Prozess des Schreibens: Gerade für kreative Arbeitsschritte wirkt sich das natürliche Schreibgefühl insofern positiv aus, als dass das physische Schreiben quasi in Vergessenheit gerät und der volle Fokus auf die Idee als kreativen Vorgang gelegt werden kann.

Wer mit einer Fülle von Texten digital arbeiten möchte, dem kann ich – zumindest in Hinblick auf meine eigene Arbeitsweise – das reMarkable nur eingeschränkt empfehlen. Neben umständlicheren Markierungen in verschiedenen Farben erscheint es auch etwas aufwendig, die Dateien jeweils wieder in Clouds (oder Literatur- & Zitationsdatenbanken wie Zotero) zu überführen. Wer ohne solche Tools und Farbmarkierungen auskommt, für den ist es vielleicht dennoch interessant. Wirklich spannend wird das reMarkable meines Erachtens aber für kreative Prozesse, Textproduktion und -lektorat.

Entsprechend würde ich auch Studierenden im Grundstudium zunächst weniger zum reMarkable raten, es sei denn der finanzielle Spielraum erlaubt einen Kauf! Das gilt insbesondere dann, wenn das Studium vornehmlich die Lektüre einer Großzahl verschiedener Texte erfordert, auf die auch nachträglich zurückgegriffen werden muss. Wer sich nicht an einem etwas umständlichen Synchronisierungsvorgang stört und wem handschriftliche Anmerkungen an Texten genügen, kann mit dem reMarkable jedoch seine Freude haben. Für (junge) WissenschaftlerInnen, die vermehrt Hausarbeiten schreiben oder korrigieren, eigene Beiträge verfassen und deren Schwerpunkt sich von bloßer Lektüre in Richtung der Textproduktion, aber auch kreativer Arbeit am Text verlagert, stellt das reMarkable womöglich eine umweltfreundliche Bereicherung dar!

  1. Zwar werden immer wieder verschiedenste Funktionsweisen insbesondere zur eigenen Organisation betont, diese zielen aber eher darauf ab, ein analoges Notizbuch zu ersetzen als die gängigen Tablets. ↩︎